Dienstag: Von Hexen und Nachttänzern

Wir sitzen im Auto in Richtung Kampala. Unser Fahrer, in Kampala zur Schule gegangen und an der Makerere-Universität studiert, erzählt uns von „Witchcraft“ und „Nightdancers“. Hexerei ist in den Dörfern noch immer weit verbreitet. Die Details über eine Sitzung eines Freundes unseres Fahrers bei einem Hexer oder Heiler lassen mich gruseln. Vodoo, geköpfte Hühner und deren Blut, Stimmen der Ahnen…

Der Bericht über tote Verwandte, die von Kindern Besitz ergreifen und durch sie sprechen rufen in meinem Gedächtnis Bilder aus Hollywood-Filmen wach. Dass all das noch existiert, in diesem Land erstaunt mich und es irritiert mich auch, weil ich nicht weiß wie ich diese Geschichten einordnen soll. Als der Fahrer von den Nightdancers erzählt, seltsamen Menschen, die Tote essen, meldet sich Fiona vom Rücksitz. Davon hätten ihr die Kinder in Peace Africa auch erzählt und einige davon wären jenen seltsamen Zeitgenossen auch schon begegnet. Als ich unseren Akademiker-Fahrer frage, ob er denn an diese Geschichten glaube, erwidert er: Glauben würde er sie nicht, aber erlebt hätte er sie schon.

Montag: Handarbeiten

Die Sonne scheint. Wir sind glücklich. Nicht nur in Deutschland hat das Wetter großen Einfluss auf mein Wohlbefinden. Wir fahren durch Bananenplantagen, beobachten das Treiben am Straßenrand (allein darüber könnte man ein Buch schreiben) und beäugen die vielfältigen Ladungen auf den Lastwagen: Kohle, Zuckerrohr, Bananen, Hühner, Kühe.

Während der kurzen Pause an einer Tankstelle werden wir versorgt mit einem Ständchen auf der Adungu (ugandische Harfe) und allerlei Essbarem. Wir wagen den Kauf von „Chicken on the Stick“ und Reistaschen. Die Spieße, auf denen die Hühnerbeine stecken sind handgeschnitzt und auf der selbstgeklebten Tüte mit den Reistaschen ist noch der Hefteintrag eines Schulkinds zu lesen. Recycling auf ugandisch!

Sonntag: Hoffnungsschimmer

Kein Regen, welch ein Glück! Und sogar ein paar seltene Tiere haben wir gesehen: Riesenechse, Elefant, jede Menge Geier, Antilopen und Büffel, sogar ein paar Löwen, die allerdings so weit entfernt waren, dass man sie nur durch ein Fernrohr erkennen konnte. 
Für Anton war die Safari ein voller Erfolg: Er entdeckte Kolibris, einen Löwen aus nächster Nähe, der aber sofort wieder im Gebüsch verschwand, diverse Schlangen und sogar Gorillas. Dass es die im Queen Elisabeth Nationalpark gar nicht gibt sagte ich ihm nicht. Ich ließ ihn in dem Glauben als einziger ein einzigartiges Erlebnis gehabt zu haben, an dem der Rest der Mannschaft durch Blindheit oder eher mangelnde Phantasie nicht teilhaben konnte.

Samstag: Safari

Wir machen Urlaub. Den haben wir uns verdient. Wir gehen auf Safari. Nach langer Autofahrt gen Westen nähern wir uns dem Queen Elisabeth Nationalpark. Ich fühle mich an frühere Urlaube in Irland oder Schottland erinnert, denn die Wolken hängen tief und es regnet in Strömen. Unser Fahrer, der häufig diese Strecke fährt sagt, einen solchen Regen hätte er noch nicht erlebt.

Richtig abenteuerlich wird es auf der zum Sumpf aufgeweichten Straße innerhalb des Parks auf der sich das Auto nicht mehr manövrieren lässt. Ein Kleinlaster und ein Jeep (wir sind mit einem ganz normalen PKW unterwegs) stecken bereits verwaist im Graben fest. Schweißgebadet und laut schimpfend schafft unser Fahrer mit Vor- und Rückwärtsmanövers das Auto halbwegs auf Kurs zu halten. Ein-, Zweimal sind wir kurz davor umzukippen, können das aber durch „alle Mann auf die linke Seite“ und dann wieder „alle Mann auf die rechte Seite“ abwehren. Schließlich stapfen wir zu Fuß durch den Knöcheltiefen Schlamm weiter und gelangen endlich nass und völlig verdreckt in unsere Lodge.

Am Abend schauen wir uns in den Nachrichten die Berichte zu den Überschwemmungen in Kampala an. Ganz Uganda scheint im Wasser zu versinken.

Freitag: Muzungu

„Bye Muzungu“ tönt es wo immer ich auftauche. Bye soll wohl ein Gruß sein und Muzungu bedeutet Weiße(r). Auch bei Gesprächen schnappe ich das Wort immer wieder auf. Wir sind hier eine Rarität, in Kawempe gibt es außer uns keine Weißen und selbst in Kampala trifft man sie selten. Muzungu war das erste Wort, das wir alle gelernt haben. In der Zwischenzeit ist unser Wortschatz ein bisschen gewachsen. Anton läuft gerne laut „Vajo“ rufend durch die Straßen, was so viel heißt wie „aus dem Weg“. Fiona hat sich „Neda“ gemerkt, ein für ihr Alter unentbehrliches Wort, denn es heißt soviel wie „ich doch nicht“.

Mein Lieblingsausdruck auf Luganda ist „Murdo Gavu“, das heißt Schwarzer und ich setzte es gerne ein, wenn wieder vom Muzungu die Rede ist. „Thank you Muzungu“ (nachdem ich eine zu teure Ananas gekauft habe) mit „You are welcome Murdo Gavu“ zu erwidern macht Spaß, denn es führt immer zu lautem Gelächter und bringt mich Muzungo den Murdo Gavus auch ein kleines Stückchen näher.

Donnerstag: Die Twins

Peter-Patrick und Patrick-Peter sind Zwillinge und 23 Jahre alt. Einer heißt Peter und der andere Patrick. Es fällt schwer die beiden auseinanderzuhalten und weil es ihnen sichtlich Spaß macht ihr Gegenüber zu verunsichern haben sie sich auch noch Doppelnamen gegeben. Lange hat es gedauert, bis ich kapiert habe, dass immer der zuletzt genannte Name der Richtige ist. Bei Tag kann ich die beiden mittlerweile auseinanderhalten, bei Nacht habe ich keine Chance.

Ohne die Zwillinge wäre meine Baustelle niemals so weit gekommen wie sie jetzt ist. Die Zwei sind eine enorme Unterstützung, gute Handwerker und ein eingespieltes Team. Obwohl sie klein und zierlich sind haben sie wegen des disziplinierten Tanztrainings, das sie täglich absolvieren eine ungeheure Kraft und Ausdauer. Auch meine Kinder profitieren davon. Fiona bekommt professionellen Tanzunterricht und Anton wird, wann immer  ihm danach ist durch die Luft gewirbelt.

Eine Geschichte, die sie mir vor einer Weile erzählt haben, hat mich sehr bestürzt. Demnach sind die beiden unter den ersten Zwillingen, die hier im Land überlebt haben. Bis spät in die 1980er-Jahre hinein galt es als schlechtes Omen Zwillinge in die Welt zu setzen. Darum wurden sie entweder getötet oder die Mutter wurde verstoßen und musste ihre Kinder außerhalb der Gesellschaft groß ziehen.

Dass diese Zwillinge leben ist ein großes Glück, sie sind richtige Freunde geworden und ich weiß schon jetzt, dass wir Drei sie sehr vermissen werden sobald wir wieder in Deutschland sind.