Sonntag: Hoffnungsschimmer

Kein Regen, welch ein Glück! Und sogar ein paar seltene Tiere haben wir gesehen: Riesenechse, Elefant, jede Menge Geier, Antilopen und Büffel, sogar ein paar Löwen, die allerdings so weit entfernt waren, dass man sie nur durch ein Fernrohr erkennen konnte. 
Für Anton war die Safari ein voller Erfolg: Er entdeckte Kolibris, einen Löwen aus nächster Nähe, der aber sofort wieder im Gebüsch verschwand, diverse Schlangen und sogar Gorillas. Dass es die im Queen Elisabeth Nationalpark gar nicht gibt sagte ich ihm nicht. Ich ließ ihn in dem Glauben als einziger ein einzigartiges Erlebnis gehabt zu haben, an dem der Rest der Mannschaft durch Blindheit oder eher mangelnde Phantasie nicht teilhaben konnte.

Samstag: Safari

Wir machen Urlaub. Den haben wir uns verdient. Wir gehen auf Safari. Nach langer Autofahrt gen Westen nähern wir uns dem Queen Elisabeth Nationalpark. Ich fühle mich an frühere Urlaube in Irland oder Schottland erinnert, denn die Wolken hängen tief und es regnet in Strömen. Unser Fahrer, der häufig diese Strecke fährt sagt, einen solchen Regen hätte er noch nicht erlebt.

Richtig abenteuerlich wird es auf der zum Sumpf aufgeweichten Straße innerhalb des Parks auf der sich das Auto nicht mehr manövrieren lässt. Ein Kleinlaster und ein Jeep (wir sind mit einem ganz normalen PKW unterwegs) stecken bereits verwaist im Graben fest. Schweißgebadet und laut schimpfend schafft unser Fahrer mit Vor- und Rückwärtsmanövers das Auto halbwegs auf Kurs zu halten. Ein-, Zweimal sind wir kurz davor umzukippen, können das aber durch „alle Mann auf die linke Seite“ und dann wieder „alle Mann auf die rechte Seite“ abwehren. Schließlich stapfen wir zu Fuß durch den Knöcheltiefen Schlamm weiter und gelangen endlich nass und völlig verdreckt in unsere Lodge.

Am Abend schauen wir uns in den Nachrichten die Berichte zu den Überschwemmungen in Kampala an. Ganz Uganda scheint im Wasser zu versinken.

Freitag: Muzungu

„Bye Muzungu“ tönt es wo immer ich auftauche. Bye soll wohl ein Gruß sein und Muzungu bedeutet Weiße(r). Auch bei Gesprächen schnappe ich das Wort immer wieder auf. Wir sind hier eine Rarität, in Kawempe gibt es außer uns keine Weißen und selbst in Kampala trifft man sie selten. Muzungu war das erste Wort, das wir alle gelernt haben. In der Zwischenzeit ist unser Wortschatz ein bisschen gewachsen. Anton läuft gerne laut „Vajo“ rufend durch die Straßen, was so viel heißt wie „aus dem Weg“. Fiona hat sich „Neda“ gemerkt, ein für ihr Alter unentbehrliches Wort, denn es heißt soviel wie „ich doch nicht“.

Mein Lieblingsausdruck auf Luganda ist „Murdo Gavu“, das heißt Schwarzer und ich setzte es gerne ein, wenn wieder vom Muzungu die Rede ist. „Thank you Muzungu“ (nachdem ich eine zu teure Ananas gekauft habe) mit „You are welcome Murdo Gavu“ zu erwidern macht Spaß, denn es führt immer zu lautem Gelächter und bringt mich Muzungo den Murdo Gavus auch ein kleines Stückchen näher.

Donnerstag: Die Twins

Peter-Patrick und Patrick-Peter sind Zwillinge und 23 Jahre alt. Einer heißt Peter und der andere Patrick. Es fällt schwer die beiden auseinanderzuhalten und weil es ihnen sichtlich Spaß macht ihr Gegenüber zu verunsichern haben sie sich auch noch Doppelnamen gegeben. Lange hat es gedauert, bis ich kapiert habe, dass immer der zuletzt genannte Name der Richtige ist. Bei Tag kann ich die beiden mittlerweile auseinanderhalten, bei Nacht habe ich keine Chance.

Ohne die Zwillinge wäre meine Baustelle niemals so weit gekommen wie sie jetzt ist. Die Zwei sind eine enorme Unterstützung, gute Handwerker und ein eingespieltes Team. Obwohl sie klein und zierlich sind haben sie wegen des disziplinierten Tanztrainings, das sie täglich absolvieren eine ungeheure Kraft und Ausdauer. Auch meine Kinder profitieren davon. Fiona bekommt professionellen Tanzunterricht und Anton wird, wann immer  ihm danach ist durch die Luft gewirbelt.

Eine Geschichte, die sie mir vor einer Weile erzählt haben, hat mich sehr bestürzt. Demnach sind die beiden unter den ersten Zwillingen, die hier im Land überlebt haben. Bis spät in die 1980er-Jahre hinein galt es als schlechtes Omen Zwillinge in die Welt zu setzen. Darum wurden sie entweder getötet oder die Mutter wurde verstoßen und musste ihre Kinder außerhalb der Gesellschaft groß ziehen.

Dass diese Zwillinge leben ist ein großes Glück, sie sind richtige Freunde geworden und ich weiß schon jetzt, dass wir Drei sie sehr vermissen werden sobald wir wieder in Deutschland sind.

Mittwoch: Der tierliebe Anton

Anton hat einen Hund. Einen süßen kleinen blonden Hund ohne den mein Sohn nicht mehr zu sehen ist. „Tiger“ hat er ihn getauft und obwohl Tiger gar nicht nach einem Tiger aussieht, passt der Name doch irgendwie. Die ersten Tage haben Anton und seine Freunde den Hund in einer benachbarten Bauruine versteckt. Denn eigentlich sollen keine Hunde im Projekt leben. Irgendwann konnte Anton das Geheimnis aber nicht mehr für sich behalten und hat mir Tiger gezeigt. Dank unseres Sonderstatus drücken alle ein Auge zu und der Hund darf bleiben. Anton ist im Glück. Er hat seinem neuen besten Freund eine Hundehütte gebaut, pflegt, hätschelt, wäscht und drückt ihn, füttert ihm Milch und Posho und fragt mich täglich X-mal ob es denn nicht doch irgendeinen Weg gibt, den Hund mit nach Deutschland zu nehmen. Ach wenn wir doch in Italien wären.

Dienstag: Regen, Schlangen, schlimme Träume

Heute Nacht ging es los. Irgendwann gegen drei Uhr morgens fängt Anton an wie am Spieß zu schreien. Er schlägt um sich und lässt sich durch nichts beruhigen. In seinen Augen steht die pure Angst aber ich kann ihm nicht entlocken was los ist. Hat ihn im Schlaf ein Tier attackiert oder war es nur ein Traum? Erst Fragen nach seinem Namen und dem seines Papas bringen ihn wieder zurück in die Realität und er kann eng an mich gekuschelt wieder einschlafen. Erst am nächsten Morgen erzählt er mir mit heiserer Stimme von seinem Traum in dem sich sein halber Kopf in eine Ananas verwandelt hat, die die andere Hälfte versuchte aufzuessen.

Die nächste Horrorszene ereignet sich am Nachmittag. Nach weiterem sintflutartigen Regen, der auch unser Zimmer unter Wasser setzt, (aber das ist gar nicht das Thema), schwärmen die Kinder aus um die Schäden der Umgebung zu inspizieren wie eingestürzte Wände und unterspülte Straßen (aber auch das ist gar nicht das Thema). Nach einer Weile beschleicht mich das Gefühl, dass Anton schon zu lange weg ist. Fiona macht sich auf ihn zu suchen. Sie findet den armen Kerl gestrandet auf einem Felsen und vor Angst wimmernd – zusammen mit einer Schlange. Ins Wasser traut er sich nicht weil er auch dort Schlangen gesehen hat. Todesmutig steigt die große Schwester in die braune Brühe und trägt ihren kleinen Bruder huckepack ans rettende Ufer.